Gymnasium bei St. Michael wird Netzwerkschule im Projekt „Lernort für Demokratie“

Am 01. Februar 2024 erhielten wir zusammen mit acht weiteren Schulen im Land die Plakette „Lernort für Demokratie“. Damit wird die Schule Teil eines Netzwerkes von Schulen, die dem Demokratie Lernen einen wichtigen Stellenwert im Schulleben einräumen.

Das Projekt „Lernort für Demokratie“ der Jugendstiftung Baden-Württemberg gibt Schulen Impulse und Hilfestellungen, um Demokratie strukturell im Schulalltag zu verankern. Dabei wurde ein Netzwerk aus mittlerweile 29 Schulen in Baden-Württemberg aufgebaut, die durch Online- und Offline-Austauschformate miteinander ins Gespräch kommen und Erfahrungen austauschen. Gleichzeitig zeigt das Projekt Möglichkeiten auf, Demokratieförderung in der Schule praktisch umzusetzen und die Partizipation der Schülerschaft zu stärken.

„Wir brauchen überzeugte Demokratinnen und Demokraten und die Schule ist dafür ein ausgezeichneter Lernort“, so die Projektleiterin Salome Ebinger von der Jugendstiftung Baden-Württemberg. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme über zwei Fragebögen werden die Schulen dabei unterstützt, sich als Lernort für Demokratie weiterzuentwickeln. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler aktiv miteinbezogen und breite Diskussionsprozesse angestoßen. So wurde unsere Schülerschaft in einer Online-Erhebung dazu befragt, für wie demokratisch sie ihre Schule halten. Hier wurden beispielweise Themen wie Mitbestimmungsmöglichkeiten an der Schule und im Unterricht, aber auch der Umgang untereinander und mit Lehrkräften in den Blick genommen. Die Ergebnisse wurden von der Jugendstiftung Baden-Württemberg ausgewertet, mit der Schule anschließend besprochen und als Grundlage für die Weiterentwicklung genommen.

Beim Netzwerktreffen in Stuttgart diskutierten mehr als 80 Fachkräfte sowie Schülerinnen und Schüler über Themen wie den Aufbau einer Feedbackkultur in der Schule, Möglichkeiten aktuelle Themen im Unterricht aufzugreifen und Mitsprachemöglichkeiten der Schülerschaft im Schulalltag. Die Netzwerkschulen stellten sich untereinander Best-Practice-Projekte, Erfahrungen und Konzepte vor und bildeten erste Tandem-Partnerschaften, um in Zukunft in den direkten Kontakt miteinander zu treten. So haben beispielsweise unsere Kursstufenschülerinnen und -schüler Leonie Härtweg, Mirjam Richter und Orlando Krake mit Leidenschaft und Überzeugung unser Schülerprojekt H-MUN (Hall – Model United Nations) präsentiert und viele andere Schulen davon begeistert.

Das Projekt „Lernort für Demokratie“ setzt die Jugendstiftung Baden-Württemberg gemeinsam mit der Heidehofstiftung und der Landesanstalt für Kommunikation (LFK) Baden-Württemberg um. Es steht unter der Schirmherrschaft von Frau Kultusministerin Schopper und richtet sich an weiterführende Schulen im Land. Weitere Informationen unter www.lernort-fuer-demokratie.de.

Leonie Härtweg, Mirjam Richter, Florian Martin, Orlando Krake, Lisa Heinzelbecker und Frank Nagel bei der Aufnahme des Gymnasiums bei St. Michael in das Netzwerk „Lernort für Demokratie“

Klasse acht im Fake-Paradies beim Präventionstag am Gymnasium bei St. Michael

Am Gymnasium bei St. Michael erlebten vier Mittelstufenklassen einen Vormittag lang, dass Paradies und Albtraum in der Welt von Votes, Likes und Followern nah beieinander liegen.

Yeah yeah yeah Schwäbisch Hall! Drei gut gelaunte Coaches in petrolfarbenen Trainingsanzügen stürmen in die Aula des Schulzentrums Ost, entern die Bühne und animieren ihr junges Publikum zum Aufstehen und Mitmachen: ein bisschen Lach-Yoga, Lockerungsübungen und der Lächel-Contest, dessen Siegerin sofort für Selfies auf die Bühne geholt wird. Diese gehen – ab durch die Handy-Zauberkugel – sofort ins Netz. Pause. Likes checken! Aufsteigen? Übersehen werden? Ablosen?
Die knapp sechzig Jugendlichen im Publikum sind irritiert, drehen sich zu Freunden um, diskutieren, machen sich lustig. Viele von ihnen blicken anfangs nicht brav und ehrfürchtig aufs Bühnengeschehen. Doch genau darauf zielen die Stücke der Projektgruppe „New Limes“ um Pat Mueller aus Schwäbisch Gmünd, die Lehrer Philipp Stein in seiner Funktion als Präventions-Lehrkraft ans GSM geholt hat.
Die seit 18 Jahren agierende Gruppe will nicht nur vorspielen, sondern mobilisieren. Ihre theaterpädagogische Mission ist die Sensibilisierung Jugendlicher für Themen wie, in diesem Fall, Fake-News, Populismus und Hetze, was ein wichtiger Baustein des Präventionskonzepts am GSM ist.
Am vergangenen Dienstag wurde darum mithilfe des Theaterstücks „Fake-Paradise“ gezeigt, wie genau diese Sensibilisierung funktioniert, dass auch bei solch ernsten Themen gelacht werden darf und dass hier Aktion statt Stillsitzen und zuhören gefragt ist. Die Schülerinnen und Schüler wurden dabei zunächst ein bisschen aus ihrer Komfortzone gedrängt: „Ich hätte schon lieber nur bequem zugeschaut“, sagte etwa ein Schüler der 8a im Anschlussgespräch vor den Workshops mit Fachkräften des Demokratiezentrums Baden-Württemberg, in denen die Themen und Geschichten des Stücks aktiv von den Schülerinnen und Schülern aufgearbeitet wurden. Geschichten wie die des scheinbar lustigen Pranks, der nahtlos in rassistische Hasstiraden und Hetze überging, unter maßgeblicher Beteiligung von Lehrern! Oder die des Fake-Accounts auf einer Social-Media-Plattform, der, angelegt zum scheinbar harmlosen Sticheln gegen die Klassenstreberin, letztlich deren Suizid auslöst. Was so formuliert doch etwas nach Sozialarbeiter-Gesprächskreis und abstrakt klingt, war von den vier Darstellerinnen und Darstellern auf eine großartig unterhaltsame und provokante Weise und mit viel Energie präsentiert worden, so dass sie den Jugendlichen auch in den Workshops und darüber hinaus gegenwärtig waren und viel Gesprächsstoff boten.
Am GSM wurden in diesem Jahr die achten Klassen neu gemischt; die Themen Freundschaft, soziales Gefüge, den Platz in der Gemeinschaft finden und selbstverständlich auch die Notwendigkeit des Umgangs mit Konflikten sind für die Jugendlichen alltäglich und omnipräsent. Der Präventionstag und die Möglichkeit, einerseits mit Fachleuten, vor allem aber auch untereinander ins Gespräch zu kommen, wurde sehr positiv aufgenommen.
Und auch, wenn bequemes Stillsitzen zunächst einfacher scheint, sich unbequem einmischen, wenn es in unserer Gesellschaft knarzt, diese Idee wurde von den Jugendlichen mit nach Hause genommen und sorgt sicherlich noch für einige Diskussionen. Ein wirklich tolles Projekt! Herzlichen Dank an das Demokratiezentrum Baden-Württemberg, die Sparkassenstiftung, das Landratsamt Schwäbisch Hall und unsere Elternschaft, die durch die Finanzierung dieses Projekt möglich gemacht haben.

85 Jahre Pogromnacht – das EWG und das Gymnasium bei St. Michael gestalten die zentrale Gedenkfeier mit

Zusammen mit dem Gymnasium bei St. Michael wirkten Schülerinnen und Schüler des Erasmus-Widmann-Gymnasiums bei der zentralen Gedenkfeier auf dem Schwäbisch Haller Marktplatz mit.

Schon am Nachmittag konnte man die Installation ansehen: Lebensgroße Reproduktionen von Personen jüdischen Glaubens, die durch die nationalsozialistische Schreckensherrschaft verfolgt und vielfach ermordet wurden. Am Abend beleuchtete Mahnmale: „Nie wieder ist jetzt!“ – Erinnern heißt, sich der Verantwortung für heute bewusst werden, in einer Zeit, in der Antisemitismus in unserem Land wieder hoffähig wird.

Oberbürgermeister Daniel Bullinger erinnerte in seiner Gedenkrede daran, dass die Aktionen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zwar von oben zentral geplant und angeregt worden waren, es jedoch vor Ort reale Personen aus der Stadt in die Tat umgesetzt haben. Und er fragte, wie es denn sein könne, dass heute eine Partei gewählt werde, die vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Nachdrücklich erinnerte der Oberbürgermeister die Anwesenden an ihre je eigene Verantwortung für unsere Demokratie.

Für den erkrankten evangelischen Dekan Christof Messerschmidt las Pfarrerin Dr. Henrike Frey-Anthes dessen Text: Messerschmidt fragte, wie die friedliche Gemeinschaft zwischen Juden und Christen im Heimatort seiner Großeltern in einem Dorf an der Jagst damals so einfach aufgekündigt werden konnte. Man half sich sonst im Hof aus: Am Sabbat die christlichen Bauern ihren jüdischen Dorfgenossen, am Sonntag die jüdischen Bauern den christlichen Dorfgenossen. Und wie der Großvater sich zeitlebens gefragt hatte, ob er nicht hätte mehr tun müssen.

Pastoralreferent Wolfram Rösch verlas die Daten einer Zugfahrt nach Auschwitz. Sein Großvater habe in Heilbronn bei der Planung solcher Zugfahrten mitgewirkt, er müsse gewusst haben, wo die Züge hinfahren und dass Menschen in Viehwaggons „befördert“ wurden. Er habe mit seinem Großvater aber darüber nicht sprechen können, nach dem Krieg wurde dieser dunkle Teil unserer Geschichte totgeschwiegen.

Dazwischen Musik von Schülerinnen und Schülern. Chorgesang und Saxofon. Und persönliche Geschichten – von Schülerinnen und Schülern zusammengefasst, die die je einzelnen Schicksale in der großen Geschichte sichtbar und lebendig werden ließen. Die Stolpersteine in Hall erinnern heute noch daran. Bereits am Nachmittag gab es eine Führung von Elke Däuber, einer exzellenten Kennerin der Einzelschicksale der ausgegrenzten, teils geflohenen und teils verschleppten und ermordeten jüdischen Einwohnerinnen und Einwohnern Schwäbisch Halls.

Seit Jahren findet eine Gedenkveranstaltung auf dem Schwäbisch Haller Marktplatz statt. Vielleicht durch die Ereignisse in Israel seit dem 7. Oktober, vielleicht durch die 85-jährige WIederkehr der schrecklichen Ereignisse, oder auch weil die Stadt dieses Mal vorbildlich geplant hatte und frühzeitig die Schulen miteingebunden hatte … Jedenfalls waren zahlreiche Haller Bürgerinnen und Bürger der Einladung gefolgt. Bürgermeister Daniel Bullinger hob hervor, dass extra aus diesem Anlass die Israel-Flagge am Rathaus gehisst worden war.

„Nie wieder ist jetzt!“ Gegen jeden Antisemitismus und Ausgrenzung von Menschen, ganz gleich, welche Religion oder welchen kulturellen Hintergrund sie haben. Die Haller Stadtgeselschaft erweist würdevoll ihren Respekt gegenüber allen Menschen, die damals ausgegrenzt wurden und derer, die heute wieder ausgegrenzt werden. Vereint die Haller Gymnasien St. Michael und Erasmus-Widmann-Gymnasium, Schulen, die gegen Rassismus vorgehen und damit Schulen mit Courage sind.

Matthias Imkampe

Lehrtätigkeit am Erasmus-Widmann-Gymnasium (Matthias Imkampe war 20 Jahre Religionslehrer am GSM)